Obstbäume schneiden – die klassische Gartenarbeit im Spätwinter

Der ausgehende Winter bzw. das zeitige Frühjahr ist der beste Zeitpunkt zum Obstbäume schneiden. Zumindest für die überwiegende Zahl der Obstgehölze (es gibt Ausnahmen) und die meisten Schnittarten.

Gute Gründe für das Obstbaum schneiden

Weshalb schneidet man Obstbäume überhaupt zurück?
Ein Apfelbaum würde beispielsweise auch wachsen, blühen und Früchte tragen, wenn man sich nicht um ihn kümmert, nichts macht. Er würde vielleicht nicht so alt, ansehnlich (obwohl, Geschmackssache) und ertragreich sein, wie ein gut gepflegter Apfelbaum – aber im Prinzip ginge es auch ohne Schnitt.

Wer aber einen Obstbaum haben möchte, der:

  • regelmäßig blüht und fruchtet
  • eine formschöne Krone bzw. Wuchsform ausbildet
  • lange vital und von Krankheiten verschont bleibt

der muss ihn regelmäßig schneiden.

Das ist wie mit der Schwangerschaft. Ein bisschen schwanger geht halt nicht. Wenn Schneiden, dann das ganze Programm. Das fängt mit dem Pflanzschnitt an, geht über den Erziehungsschnitt bis zum Erhaltungsschnitt weiter und schließt mit dem Verjüngungsschnitt ab.

Warum man einen Obstbaum NICHT schneidet

Stichhaltige Argumente für einen Obstbaumschnitt gibt es genug. Das folgende zählt aber nicht dazu:

Einen Obstbaum durch Schnitt klein halten.

Das funktioniert nicht. Jeder Baum hat eine genetisch festgelegte Endwuchshöhe bzw. -größe. Das ist Sorten-bedingt (auch Unterlage) und wird durch weitere Faktoren wie Boden- und Lichtverhältnisse sowie Nährstoffversorgung beeinflußt.

Jeder Rückschnitt bewirkt eine entsprechende Reaktion. Schneide ich stark zurück, fällt die Reaktion ebenso stark aus und der Baum gleicht meine Maßnahme durch entsprechendes Triebwachstum wieder aus. Besonders die wuchsfreudige Obstsorten sind da ein mahnendes Beispiel. Man kann einen Obstbaum durch brutales Zurückschneiden zwar derart vergewaltigen, dass der Krüppel zwangsweise klein bleibt – aber das ist ja nicht Sinn der Sache.

Wer einen Obstbaum für einen mittleren bis kleinen Garten sucht, muss im Vorfeld bei der Sortenwahl genau aufpassen. Man kann von einer Hochstamm-Birne oder Süßkirsche nicht erwarten, dass sie wider ihrer Natur wächst.

Warum der Obstbaumschnitt im Winter ausgeführt wird

Die Vegetationsruhe im Winter ist für den Rückschnitt sehr gut geeignet. Kein Blattwerk oder Fruchtbehang, der den freien Blick auf die Baumkrone versperrt. Ihre Aststruktur und auch ihre Ausformung sind klar erkennbar. Abgetragenes Fruchtholz, kranke und verkahlte Äste kann man auch schon in der Vegetationsperiode kennzeichnen und später entfernen.
Es gibt allerdings auch Ausnahmen. Süßkirschen zum Beispiel schneidet man eher im Sommer.

Welches Wetter sollte beim Obstbäume schneiden herrschen?

Wählt einen frostfreien Tag für den Rückschnitt eures Obstbaumes. Das Holz ist dann weniger brüchig. Trockenes und ruhiges Wetter ist perfekt – so bleiben die frische Schnittwunden von Pilzen und Keimen verschont.

Womit schneidet man Obstbäume am besten?

Je nach Aststärke reicht eine gute Gartenschere bereits aus. Bei stärkeren Trieben sollte es dann schon eine Astschere oder Baumsäge sein. Das Werkzeug sollte so gewählt werden, dass der Schnitt ohne allzu viel Kraftanstrengung möglich ist. Das garantiert eine saubere Schnittfläche und verhindert ein Ausfransen der Ränder. Wenn ihr nur einen Obstbaum zu schneiden habt, fällt die Kraftanstrengung und ergonomische Handhabe nicht so ins Gewicht. Schneidet ihr regelmäßig Obstbäume, greift ihr irgendwann ganz von selbst zu qualitativ hochwertigem Werkzeug. Bei den Gartenscheren vertrauen wir seit Jahrzehnten auf die Felco Nr. 2 – aber letztlich könnt ihr benutzen, was ihr wollt.
Viele Leute entscheiden sich bei den Sägen für die Silky Pocketboy mit 170 mm Sägeblatt. Ich denke, da macht man nichts falsch.

Unbedingt beachten

Niemand will durch Schnittmaßnahmen Pilze oder andere Krankheitserreger von einem Obstbaum zum anderen tragen. Nach oder vor jedem Schnitt eines Obstbaumes solltet ihr die Schnittflächen eures Werkzeuges reinigen und vor allem desinfizieren. Spiritus ist ganz gut, aber ich habe bei anderen Leuten gelesen, dass sie ihre Sägeblätter mit einer Lötlampe regelrecht abflammen.

Wie schneidet man Obstbäume richtig?

Ich erkläre hier nicht die verschiedenen Schnittarten. Da die meisten Baumbesitzer es ohnehin mit einem erwachsenen Baum zu tun haben, werden sie den Erhaltungsschnitt durchführen. Ich weise nur auf allgemeingültige Schnittregeln oder interessante Besonderheiten hin.

Komplett entfernt werden:

  • Konkurrenztriebe zum Mitteltrieb
  • Alte und kranke Triebe
  • in die Baumkrone wachsende Triebe
  • Zu steile Triebe, die sich nicht herunterbinden lassen
  • aneinander scheuernde Triebe

Schnittmenge festlegen – Weniger ist mehr

Man kennt das. Die Gelegenheit ist günstig, die Säge scharf und die Arbeit geht leicht von der Hand. Auf einmal liegt mehr Holz auf dem Boden, als sich noch am Baum befindet. Was ab ist, ist ab. Auch das ist ein Grund, weshalb man bevorzugt im ausgehenden Winter schneidet. Man kann die wegzunehmenden Äste viel besser identifizieren und abschätzen, wie viel Wegnahme an organischer Masse das bedeutet. Und hier gilt:

Weniger ist mehr

Wir hatten es weiter oben schon einmal: Ein starker Rückschnitt bewirkt eine starke Reaktion.
Außerdem muss der Baum in der Lage sein, sich von diesem Schnitt zu erholen und sich mit den verbliebenen Ästen zu versorgen.

Ich würde pro Schnittmaßnahme etwa 20 Prozent an Ast-Volumen entfernen. Über 30 Prozent würde ich nicht empfehlen. Gewisse Schnittprojekte muss man dann eben auf 2 oder 3 Jahre verteilen.

Weg vom Klein-Klein

Abgesehen von Trieben die man in jedem Fall entfernt (alt, krank, Konkurrenz usw.), mache man bei den anderen Ästen keine halben Sachen. Lieber weniger Äste entfernen bzw. kürzen, dafür größere und stärkere Exemplare. So ein Herummurksen an dünnen Zweiglein hilft weder euch noch dem Baum.

Auf Auge schneiden

Bei Trieben, die nur gekürzt werden, schneidet man stets auf ein nach außen weisendes Auge. Der Schnitt erfolgt etwa in 1 Zentimeter Entfernung zum Auge.

Auf Astring oder Zapfen schneiden?

Außer bei Kirschbäumen schneidet man immer auf den Astring zurück. An dieser Stelle kann der Baum die Wunde am schnellsten überwallen. Kirschen können das nicht, daher schneidet man hier auf Zapfen oder Stummel zurück. 2 – 4 Augen oder 10 – 15 cm sollten ausreichend sein. Die Zapfen trocknen mit der Zeit zurück.

Wasserschosse – häufig ein großes Mißverständnis

Wer kennt sie nicht, die dünnen Triebe, die in großer Zahl steil von einem Seitenast aufschießen. Das macht der Baum nicht, um euch zu ärgern. Die einzigen Verantwortlichen für diese Phänomen seid ihr und eure Schnittmaßnahmen. Der Baum reagiert nur.
Um hier einem großem Mißverständnis zu begegnen: Wasserschosse sind an sich nichts Schlimmes. Freut euch lieber: der Baum sendet ein Lebenszeichen und besitzt noch ausreichend Wüchsigkeit. Wasserschosse sollte man nicht einfach so wachsen lassen – am Ende sieht der Baum aus wie ein Besen oder Kamm. Überflüssige Wasserschosse kann man im Sommer (weil sie da noch frisch und dünn sind) einfach ausreißen. Das ist der sogenannte Juniriss. Da passiert nichts, die Wunden verheilen recht gut. Wenn das versäumt wurde, müssen die im Winter abgeschnitten werden. Bei älteren Bäumen mit Vergreisungstendenzen sollte man einen Teil der Wasserschosse eventuell dazu benutzen, neues Fruchtholz zu bilden. Oder neue Äste für mehr Blattbesatz, der Baum will ja schließlich auch ernährt werden.
Nach den Wachstumsgesetzen bei Obstbäumen besteht eine Abhängigkeit zwischen dem Wuchs-Winkel (ich nenne das jetzt mal so) des Triebes, seines Wachstums und der Art von Knospen, die er ausbildet. Je steiler der Trieb, desto mehr Energie geht in das reine Längenwachstum und Ausbildung von Blattknospen. Je waagerechter, desto mehr Blüten- und Fruchtknospen werden gebildet, das Längenwachstum wird reduziert. Was macht man also, um einen Wasserschoss in einen möglichen Fruchttrieb zu verwandeln? Man bindet ihn herunter. Das sollte aufgrund seiner Biegsamkeit gut funktionieren. Sogar das Abknicken mit der Bruchstelle nahe des Ansatzes ist möglich.

Schnittränder ausputzen

Wenn ungeeignete oder auch nur unscharfe Werkzeuge benutzt wurden, bleibt oft ein ausgefranster Schnittrand zurück. Den sollte man mit einem scharfen Gartenmesser glatt schneiden.

Wundbalsam – Pro und Kontra

Ob man die Schnittflächen mit Wundbalsam bestreichen soll – daran scheiden sich die Geister. Es gibt gleichermaßen Befürworter dieser Methode, als auch Baumpfleger, die Wundbalsam entschieden ablehnen. Als Argumente für den Einsatz werden der Wundverschluss (durch Versiegelung) und damit der Schutz vor Pilzen und Schädlingen angeführt. Gegner des Wundbalsam behaupten, dass sich unter der Balsamschicht immer Feuchtigkeit sammeln kann und dadurch Fäulnis droht. Außerdem wachse der Baum ja weiter und verursache Risse im Wundbalsam, durch die wieder Wasser und Pilze eindringen können.

Also ich verschmiere nur auf sehr großen Schnittflächen Wundbalsam. Bei kleineren Trieben vertraue ich auf die Vitalität des Baumes.

Obstbäume schneiden kann man lernen

Es ist noch kein Meister vom Himmel gefallen (*kling*, 2 Euro im Phrasenschwein). Viele jungfräuliche Baumbesitzer stehen vor ihrem Baum und wissen nicht weiter. Nach Hilfe oder Unterstützung fragen, hat den Makel der Unfähigkeit. Das ist aber totaler Quatsch. Es ist doch wohl eindeutig besser, einen Profi zu beauftragen als einen Obstbaum durch einen falschen Schnitt zu ruinieren. Wenn man im Vorfeld einiges beachtet (was ich u.a. in diesem Artikel aufgeführt habe, dann passiert das sowieso eher selten.
Falls ihr Angst davor habt, gegen irgendwelche Dogmen zu verstoßen oder ein Kopfschütteln des Profis zu ernten: abgesehen von unumstößlichen Schnittgesetzen, hat jeder Baumpfleger seine eigene Philosophie und Ansichten, wie ein Obstgehölz geschnitten wird. Frage zwei Experten und Du erhältst 5 Meinungen. Jeder sieht einen Baum etwas anders; was aus ihm werden könnte und in welchem Zeitraum.
Kleiner Tipp: wenn ihr in den Gärten anderer Leute Apfel- oder Pflaumenbäume seht, die euch vom Wuchs und Schnitt gefallen, fragt einfach nach, wer den Baum geschnitten hat und wie. Ich bin mir sicher, ihr erhaltet eine Auskunft, die euch weiterhilft.

Bücher sind natürlich auch eine Möglichkeit, den Obstbaumschnitt zu erlernen. Aber ihr werdet schnell feststellen, dass die in den Büchern vorgestellten, geradezu mustergültigen Baum Exemplare nichts mit den Lebewesen zu tun haben, die in eurem Garten stehen. Bücher sind eine gute Ergänzung, um sich theoretisches Wissen anzueignen – aber die Praxis ist eine andere Sache.

Oftmals bieten Gartenvereine (je nach Größe und Aktivität des Vereinslebens), Dachverbände, Volkshochschulen oder andere Institutionen Schnittkurse an. Das ist nur zu empfehlen.

Lesermeinungen

So liebe Gartenfreunde, wie ist es bei euch? Was für Erfahrungen habt ihr mit dem Obstbaum Schneiden gemacht? Könnt ihr meine Erfahrungen bestätigen oder seht ihr gewisse Sachen anders? Und wenn ja, warum? Habt ihr weitere Tipps und Hinweise auf Lager? Wenn ihr erfahrene Gärtner oder Obstbaumbesitzer seid und euch in den Kommentaren äußert, denkt immer daran – hier liest eine breit aufgestellte Leserschaft mit. Von Anfängern bis Profis ist alles vertreten.

2 Gedanken zu „Obstbäume schneiden – die klassische Gartenarbeit im Spätwinter“

  1. Vielen Dank für den informativen Beitrag über die Vorteile des Schneidens von Obstbäumen! Meine Obstbäume im Garten sind zwar längst nicht ausgewachsen, allerdings informiere ich mich schon einmal über die richtige Ausführung eines Kronenschnitts. Ich bin erfreut darüber, dass es zahlreiche Gartenbücher gibt, in denen die Vorgehensweise detailliert erklärt wird. Allerdings wird das bei der Anzahl an Bäumen, die wir gepflanzt haben, irgendwann sehr zeitintensiv, sodass ich froh bin, mir gegebenenfalls Hilfe von Spezialisten für Baumpflege holen zu können.

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    • Vielen Dank für das Lob, Verena. Man muss aber Folgendes bedenken: früher hatte jede Region ihre an Klima und natürliche Gegebenheiten angepassten Obstsorten. Ein bisschen Apfel, Birne, Pflaume und vielleicht Kirschen. Im Hausgebrauch gab es meistens den Hoch- oder Halbstamm und geschnitten wurde, wenn Zeit vorhanden war (Wintersaison). Unter diesen Gegebenheiten war die Baumerziehung kein Hexenwerk.
      Heute ist das alles etwas schwieriger. Nicht nur, dass viel mehr exotisches Obst Einzug in die Gärten gehalten hat, auch sind die Ansprüche an Obstgehölze ganz andere. Durch neue Unterlagen und Erziehungsformen haben nun Säulenbäume, Buschbäume, Spindelbäume usw. kleine Gärten und Grundstücke erobert. Obstbäume sollen noch am besten im Jahr nach der Pflanzung in den Ertrag gehen, aber nur 2 Meter hoch wachsen und nicht weiter stören. Das hat sich dann auch in den heute gelehrten Schnittechniken niedergeschlagen. Es empfiehlt sich da wirklich, entweder Hilfe von Experten in Anspruch zu nehmen oder einen Schnittkurs zu absolvieren, bevor man sich am teuer eingekauften Gehölz „vergreift“.

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